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Nach der US-Wahl: Wie steht es um die globale Handelspolitik?

Die USA haben gewählt. Was schon heute, kurz nach der Wahl, feststeht: Die nächste US-Präsidentschaft fällt in eine geopolitisch unübersichtliche Lage, in der vor allem eines regiert: Unsicherheit, die auch weiterhin in Abschottung münden wird. Ist die Globalisierung damit am Ende? Hat sich die Idee des Freihandels und des Miteinanders auf den Märkten überlebt? Und welche Rolle spielt Europa? Gedanken von Burkhard Eling, CEO von DACHSER, worauf es künftig bei der Steuerung globaler Handelsströme ankommt.

Nach der US-Wahl: Wie steht es um die globale Handelspolitik?
Nach der US-Wahl: Wie steht es um die globale Handelspolitik?

In der Logistikbranche denken wir in Entfernungen. Die Entfernung zwischen unserem Hauptsitz in Kempten und dem Weißen Haus in Washington DC beträgt 6.800 Kilometer Luftlinie. Weit weg also. Aber: Was im Weißen Haus passiert, schlägt geopolitische Wellen, die auch für uns in Kempten deutlich spürbar sind – und die unsere Geschäftstätigkeit maßgeblich beeinflussen.

Aus diesem Grund haben wir den Wahlkampf in den USA in den letzten Monaten sehr genau mitverfolgt. Was bedeutet die US-Wahl für die Weltwirtschaft, was bedeutet sie für den Wirtschaftsstandort Deutschland, für die Logistikbranche und für uns bei DACHSER?

Was bleibt: Protektionismus

Wie sieht die US-Handelspolitik in Zukunft aus? Schon vor der Wahl wurde deutlich: Unabhängig davon, wer am Ende als Gewinner über die Ziellinie gehen würde, die Zeichen werden auch weiterhin auf Protektionismus stehen. Die Ursachen dafür, sich abzuschotten, sind nicht allein ideologischer Natur und in den USA zu suchen. Tiefgreifende ökonomische Transformationen, geopolitische Krisen wie in der Ukraine oder in Nahost, die Außen- und Subventionspolitik Chinas – all das treibt seit Jahren die handelspolitische Eskalationsspirale. Zölle ersetzen schon länger Handelsabkommen. So lag 2020 der durchschnittliche US-Zoll auf Warenimporten aus China bei 19 Prozent. Daran hat auch die Administration Biden nichts geändert. Gestützt noch durch staatliche Anreize wie den Inflation Reduction Act ist Amerika im Begriff, sich zu re-industrialisieren.

Richtungsweisende Veränderungen, gerade in herausfordernden Zeiten, setzen ein langfristig orientiertes Handeln voraus, das auf gemeinsamen Werten basiert und gleichzeitig die notwendige Anpassungsfähigkeit mitbringt.

“America First” wird zunehmend zu “America Alone”. Die Zeiten für große Freihandelsprojekte sind vorbei.

Die Weltregionen sind nach wie vor durch Handelsbeziehungen eng miteinander verwoben.
Die Weltregionen sind nach wie vor durch Handelsbeziehungen eng miteinander verwoben.

Was bleibt: Weltregionen sind voneinander abhängig

Betrachtet man aber die Handelsströme der letzten Jahre, so zeigt sich ein überraschendes Bild: Trotz aller protektionistischer Tendenzen, trotz Schutzzölle, Embargos und Wirtschaftssanktionen sind die Weltregionen nach wie vor durch Handelsbeziehungen eng miteinander verwoben. Die Abschottung hat am Ende nicht dazu geführt, die Interdependenzen der Weltregionen aufzulösen.

Ja, die direkten Handelsströme zwischen USA und China gehen zurück. Aber: Warenströme zwischen Südostasien und China sowie zwischen den USA und Südostasien nehmen zu. Nur ein kleines Beispiel: Seit 2016 haben die USA ihre Importe aus der vietnamesischen Computerindustrie verdreifacht. Im gleichen Zeitraum aber stiegen die chinesischen Ausfuhren von Maschinen und Zubehör zur Herstellung von Computern nach Vietnam um 75 Prozent an.

Ein Wort zu China: Trotz aller Bemühungen um De-Coupling oder De-Risking sind auch die Exportquoten nicht nennenswert zurückgegangen. So hat beispielsweise der britische Economist die Exportdaten von 120 weltweit tätigen Unternehmen des produzierenden Gewerbes ausgewertet. Das Ergebnis: In etwa 20 Branchen – darunter Kommunikationsgeräte und optische Instrumente – lag Chinas Anteil an den weltweiten Exporten 2023 bei über 50 Prozent. Wer eine Strategie des „Near“- oder „Friendshoring“ verfolgt, muss Geduld haben. So zeigen Zahlen für Länder wie Australien, die sich konsequent aus China zurückziehen, dass es noch etwa 35 Jahre dauern wird, bis auch nur die Hälfte der gesamten ausländischen Direktinvestitionen dort abgezogen sind. Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass funktionierende Supply Chains kurzfristig anderswo aufgebaut werden können, weil sich Produktion nicht einfach plötzlich von China nach Taiwan, Nordafrika oder die Türkei verlegen lässt.

Was bleibt: Lieferkettenmanagement als Gamechanger

Was also bringt die nächste US-Präsidentschaft für den Welthandel? Der Blick auf die Realität belegt, dass die Weltregionen trotz Protektionismus und Abschottung weiterhin miteinander handeln – und die Märkte aller politischen Eingriffe zum Trotz stabil geblieben sind. Dass das so ist, hängt auch damit zusammen, dass es der Logistik gelungen ist, resiliente Netzwerke auf- und auszubauen. Mit einheitlichen Prozessen, smarten IT-Systemen und vor allem dem Know-how der Mitarbeitenden. Es gibt keinen Zweifel daran, dass Zölle die Komplexität und den Kostendruck weiter erhöhen werden. Doch umso mehr kommt es darauf, Lieferketten richtig zu managen. Diese Fähigkeit wird nicht erst durch die US-Wahl zum Gamechanger. 

Lieferkettenmanagement als Gamechanger
Lieferkettenmanagement als Gamechanger

Mit Bedacht und Besonnenheit reagieren

Richtungsweisende Veränderungen, gerade in herausfordernden Zeiten, setzen ein langfristig orientiertes Handeln voraus, das auf gemeinsamen Werten basiert und gleichzeitig die notwendige Anpassungsfähigkeit mitbringt. Napoleon Bonaparte hat einst davon gesprochen, dass „die Mühen der Vorsichtsmaßnahmen oft größer sind als die Gefahren, die es zu vermeiden gilt“. Er hatte dabei sicher nicht die globalen Lieferketten im Sinn – und doch passt der Satz auch auf die aktuelle Lage:

Die USA haben gewählt. Wir sollten nicht in Panik oder Aktionismus verfallen, sondern stattdessen mit Bedacht und Besonnenheit reagieren und beobachten, wie sich die Märkte entwickeln. Andernfalls könnte der Preis der Vorsichtsmaßnahmen am Ende höher sein als die Folgen der Gefahren, vor denen man sich schützen will.

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