Alternative Antriebskonzepte – Quo Vadis?
Wohin führt der Weg bei den Antriebstechniken? Kann der Elektromotor schon bald dem Diesel den Rang ablaufen? Oder kommen ganz andere Energielieferanten ins Spiel? Bei DACHSER beschäftigen sich bereichsübergreifend Logistik-Spezialisten mit alternativen Antriebstechnologien sowie ihrer praktischen Anwendung im Logistiknetz.
Eine klimaneutrale Wirtschaft bis 2050: So lautet das anspruchsvolle Ziel des jüngst verkündeten „Green Deal“ der Europäischen Union. Eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens von 2015 spielen dabei die Um- und Neustrukturierung von Transport und Verkehr, die in entwickelten Industrienationen wie Deutschland rund ein Fünftel aller Treibhausgasemissionen verursachen.
„Eine saubere Mobilität ist nur möglich, wenn das Mobilitätssystem effizient organisiert und dabei auf Digitalisierung, Datenaustausch und kompatible Standards gesetzt wird. So können der Verkehr intelligent gesteuert und die Mobilität in allen Verkehrsträgern automatisiert werden, was wiederum zu weniger Staus und höheren Auslastungsraten führt“, heißt es aus der Europäischen Kommission. Die Grundlage dafür solle der sukzessive Umstieg auf non-fossile Antriebe im Personen- und Gütertransport schaffen.
Mit anderen Worten: Klimafreundliche Mobilität verlangt nach komplexen Antworten. DACHSER hat deshalb ergänzend zu seinem bestehenden Umweltmanagement und dem seit einigen Jahren laufenden Innovationsprojekt „City Distribution“ die Analyse von alternativen Antrieben und Kraftstoffen intensiviert. „Wir untersuchen aktuelle und künftige Technologien zusammen mit internen Fachabteilungen und Niederlassungen sowie im Austausch mit externen Partnern. Im Mittelpunkt stehen die Evaluierung alternativer Antriebe und Kraftstoffe sowie der dazugehörigen neuen Logistikkonzepte, insbesondere für den Lkw-Verkehr“, erklärt Stefan Hohm, Corporate Director Corporate Solutions, Research & Development bei DACHSER. Dazu arbeite man bei DACHSER bereichsübergreifend intensiv zusammen. R&D sei bei seinen Aktivitäten und Testvorhaben im ständigen interdisziplinären Austausch mit den Experten aus Road- und Air & Sea Logistics.
Marktreife Lösungen sind allerdings kurzfristig nicht in Sicht. „Alle nachhaltig emissionsfreien alternativen Antriebe und Kraftstoffe sind heute noch nicht in der Breite in der Praxis einsetzbar, zum einen aufgrund technischer Gegebenheiten oder auch aufgrund wirtschaftlicher Zusammenhänge“, erklärt Andre Kranke, Department Head R&D Research & Innovation Management.
Lösungen für den Fernverkehr gesucht
Klar ist aber: Langfristig gehört die Zukunft dem Elektromotor, der über Batterien oder eine Wasserstoff-Brennstoffzelle mit Strom versorgt wird. Erste batterieelektrische Lkw kommen bei DACHSER schon heute im Rahmen neuer City-Logistik-Projekte zum Beispiel in Stuttgart, Berlin oder Hamburg zum Einsatz. Die Reichweiten dieser Fahrzeuge sind aber mit bis zu 200 Kilometern noch sehr begrenzt. Mittelfristig technisch möglich – wenn auch wirtschaftlich noch schwierig abbildbar – scheinen auch batterieelektrische Lkw für regionale Verteilerverkehre mit etwa 450 Kilometern Reichweite zu sein. „Darüber hinaus wird es aber sehr grenzwertig für den reinen Batterieantrieb. Denn für Fernverkehrsrelationen lässt sich mit dieser Technologie kein sinnvolles Verhältnis von Reichweite, Nutzlast und Ladezeiten herstellen“, sagt Kranke.
Könnte die Stromversorgung über Oberleitungen, wie sie derzeit in Deutschland unter anderem am „eHighway“ auf der A1 bei Lübeck getestet wird, den Weg zum E-Fernverkehr freimachen? Wohl kaum. „Dagegen spricht der ständige Wechsel zwischen Kurz- und Langstrecke. Zudem erscheint ein gesamteuropäisches Oberleitungssystem, wie es im Güterfernverkehr gebraucht würde, angesichts der hohen Investitionskosten und der unterschiedlichen geographischen Voraussetzungen derzeit kaum erreichbar“, stellt Hohm fest.
Langfristig gehört die Zukunft dem Elektromotor, der über Batterien oder eine Wasserstoff-Brennstoffzelle mit Strom versorgt wird. Erste batterieelektrische Lkw kommen bei DACHSER schon heute im Rahmen neuer City-Logistik-Projekte zum Beispiel in Stuttgart, Berlin oder Hamburg zum Einsa
Was heißt all dies für den Dieselmotor? „Er ist noch immer der am weitesten verbreitete und kostengünstigste Antrieb im Güterverkehr. Und er wird es wohl auch auf mittlere Sicht erst einmal bleiben“, sagt Andre Kranke. Der Grund: Die hohe Energiedichte des Dieselkraftstoffes sorge für sehr hohe Reichweiten. Zudem sei die Technik – auch unter dem Druck immer strengerer EU-Normen – sehr weit ausgereift. Und nicht zuletzt könne für den effizienten Einsatz von Diesel-Lkw auf eine weltweit vorhandene Infrastruktur und Fahrzeugtechnik zurückgegriffen werden. In Verbindung mit Biokraftstoffen der zweiten Generation lassen sich mit Dieselmotoren in einigen Ländern der EU sogar kurzfristig signifikante Treibhausgas-Reduktionen erzielen, die zumindest als Brückentechnologie hin zur Elektromobilität einen wertvollen Beitrag zum Klimaschutz leisten können.
„Unter dem ökologischen Aspekt sollte auch die Diskussion um weitere innerdeutsche Streckenfreigaben und die Erlaubnis für grenzüberschreitende Verkehre für den Lang-Lkw auf die Agenda der Verkehrsplaner rücken“, rät Kranke.
Gasantriebe haben noch Luft nach oben
Darüber hinaus untersuchen die Forscher auch die Möglichkeiten, Lkw-Motoren mit Gas statt mit Diesel anzutreiben. Dabei wird entweder CNG (komprimiertes Erdgas/Compressed Natural Gas) und LNG (Flüssigerdgas/Liquefied Natural Gas) verwendet. Der Einsatz von fossilem Erdgas bringt dabei keine signifikanten Klimavorteile. „Je nach verwendeter Technologie bewegen sich die CO2-Einsparungen bei einer ganzheitlichen Betrachtung (‚Well-to-Wheel‘, ‚vom Bohrloch bis zum Rad‘) in einer Bandbreite von minus 15 bis hin zu plus zehn Prozent gegenüber einem modernen Diesel-Lkw“, sagt Stefan Hohm. Als Brückentechnologie kommen hier eigentlich nur Bio-LNG und Bio-CNG in Frage. Wirtschaftlichkeit und Praxistauglichkeit variieren aber innerhalb der EU sehr stark und müssen deshalb im Einzelfall betrachtet werden.
Viel diskutiert werden in der Logistik auch eFuels, also mittels Strom synthetisch hergestellte flüssige und gasförmige Kraftstoffe (Diesel, LNG, Methanol etc.). Damit diese klimaneutral sind, müssen die Kraftstoffe auf Basis der Power-to-X-Technologien produziert werden. Das Power-to-Gas-Verfahren wandelt nachhaltig erzeugten Strom – vor allem aus Windkraft und Sonne – in grünen Wasserstoff um, der Basis für alle eFuels ist. Da der Energieverlust auf dem Weg vom Strom über den grünen Wasserstoff zum eFuel derzeit noch extrem hoch ist, existieren momentan keine wirtschaftlich abbildbaren Umsetzungen dieser Idee. Vielversprechender scheint es, den grünen Wasserstoff direkt in Form eines Brennstoffzellenantriebs für den Lkw zu nutzen.
Ein energetisches Wunderwerk
Lange Zeit als energetisches Wunderwerk gehypt, war die Brennstoffzelle zwischenzeitlich fast vollständig aus der öffentlichen Diskussion verschwunden. Nun erfährt sie unter dem Druck der Verkehrswende wieder eine Renaissance. Dabei wird Wasserstoff in der Brennstoffzelle in Strom umgewandelt, der dann einen Elektromotor antreibt. Eigentlich ist die technologische Entwicklung schon weit vorangeschritten. So ist die Brennstoffzelle beispielsweise aus der Raumfahrt schon nicht mehr wegzudenken, und auch bei Flurförderzeugen konnte sie ihre Alltagstauglichkeit bereits unter Beweis stellen. Auf der Straße allerdings muss sich die Technologie erst noch beweisen.
Für den praktischen Einsatz ist noch einiges zu tun, momentan sind primär Prototypen im Einsatz und erste kleine Testflotten wurden angekündigt. „Von Serien-Lkw, die schon bald den Diesel-Lkw ablösen, sind wir noch weit entfernt“, beobachtet Kranke. Seitens der namhaften Hersteller habe sich bislang nur der Weltmarkführer Mercedes-Benz auf einen strategischen Brennstoffzellen-Technologiepfad festgelegt. Ab 2029 sollen die ersten serienmäßigen Lkw mit der Wasserstoff-Brennstoffzelle auf den Markt kommen. Ab 2039 sollen dann sämtliche Nutzfahrzeuge des Stuttgarter Automobilbauers nur noch als Wasserstoff-Brennstoffzelle oder batterielelektrisch vom Band rollen.
Den Austausch intensivieren
Das (Zwischen-)Fazit von Stefan Hohm fällt gemischt aus: „Mit fossilem LNG-und CNG-Lkw-Antrieb lassen sich Klimaziele nicht erreichen, weil sie nicht entscheidend besser sind als ein moderner Euro VI-Diesel-Lkw. Für einen rein elektrisch betriebenen Schwerlastverkehr sind die Batterien zu schwer, die Ladeinfrastruktur ließe sich – wenn überhaupt – nur äußerst kompliziert und teuer bewerkstelligen, Nutzlasten sind damit nicht sinnvoll zu befördern. Der Wasserstoff-Brennstoffzellenantrieb erscheint zwar vielversprechend, aber hinsichtlich Effizienz und Verfügbarkeit ist die Technologie von einer Praxistauglichkeit noch weit entfernt.“
Für DACHSER heißt dies, sich all diesen Themen noch intensiver in Forschung und Entwicklung zuzuwenden. Stefan Hohm: „Wir bleiben dran an der Entwicklung von alternativen Antrieben im Gütertransport. Dazu intensivieren wir weiter den Austausch mit Initiativen und Verbänden, mit Herstellern und Forschungspartnern und erweitern über Beteiligungen an Pilotprojekten unser Wissen und unsere Netzwerke. So wollen wir unseren Teil dazu beizutragen, das Klimaziel 2050 zu erreichen.“